Insulinom beim Hund – ein harmlos klingendes Wort, das jedoch geballten Schrecken in sich birgt. Nele hat solch ein Insulinom. Ihre Lebenserwartung ist damit rapide gesunken. Obwohl wir schon seit über 20 Jahren mit Hunden zu tun haben, obwohl wir uns wirklich sehr solide mit Hundekrankheiten beschäftigen, obwohl meine beste Freundin Tierärztin ist und wir häufige “Fachgespräche” führen, habe ich von dieser gruseligen Krankheit noch nie etwas gehört. Und jetzt hat ausgerechnet unsere liebe, kleine Nele solch eine todbringende Erkrankung.
Rückblick: März
Im März fuhr Carola mit allen drei Hunden zum Tierarzt zur Kontrolle. Es wurde allen Blut abgenommen und es schien alles in Ordnung. Außer bei Nele. Die Tierärztin sagte, dass sie etwas Unterzucker habe und gleich nach heimischer Ankunft etwas zu fressen bekommen sollte. Ok, natürlich, wir hatten sie ja auch nüchtern zur Blutkontrolle gebracht. Nele war wie immer fröhlich, sie war aufgeweckt, sie war verfressen, kurz: Sie war wie immer. Also alles gut.
So kam es zur Diagnose Insulinom
Nele war zeitlebens ein ruhiger Hund. Sie war nie temperamentvoll, Schlafen und Fressen, damit war sie glücklich. Ich habe über unsere Schlaftablette sogar mehrere Beiträge verfasst, etwa diesen hier: Klick.
Vor einigen Wochen begann sie, sich zu verändern. Wir erkannten unsere sonst so ruhige Nele überhaupt nicht mehr wieder. Plötzlich benahm sie sich wie ein temperamentvoller, junger Welpe. Sie sprang hierhin, sie tobte dort rum, sie folgte uns überall hin und tat alles, um unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Insulinom beim Hund = Unterzucker
Heute wissen wir, dass der Grund ihrer Hyperaktivität darin bestand, Energie zu bekommen, da sie völlig unterzuckert war. Ihr Gehirn signalisierte ihr sozusagen: “Mach was, ich brauch Zucker und das schnell!”. Damals wussten wir es nicht. Aber es stimmte definitiv etwas nicht. Also schnappten wir unseren “Jungbrunnen” Nele und fuhren mit ihr zum Tierarzt. Wieder Blutentnahme, wieder Unterzuckerung. Wieder der Satz: “Nele muss aber jetzt was zu essen bekommen!” Wieder heim, gleich gefüttert. Und wieder Warten auf die Ergebnisse der Blutanalyse.
Am nächsten Tag ging es Nele schlecht. Sie wollte kaum in das kleine, bei uns angrenzende Wäldchen laufen, sie war taumelig und sie schleckte sich die ganze Zeit über die Lippen, ein Zeichen von Schmerz und/oder Unwohlsein bei Hunden.
Wir riefen sofort die Notdienstnummer unserer Tierärztin an und diese sagte uns, dass wir asap mit Nele in die Tierklinik fahren sollen,gerade in Hinblick auf den Wert des gestrigen Zuckerspiegels. In der Tierklinik wurde Nele intravenös behandelt, sie musste stabilisiert werden, bevor man irgendwelche Untersuchungen machen konnte. Deswegen sollte sie über Nacht in der Klinik bleiben. Zwei traurige, plärrende Frauchen fuhren ohne Nelchen heim.
Die Diagnose Insulinom beim Hund
Am nächsten Tag wurde in der Klinik der ganze Bauchraum per Ultraschall untersucht. Sie hat einige kleine Gallensteine, sie hat ein paar kleine Nierensteine, aber das ist alles harmlos. Die Bauchspeicheldrüse zeigte an, dass etwas im Argen liegt. Tumore konnte man wohl nicht erkennen. Aber: Bei einem Insulinom sind die Krebszellen winzig klein. Sie werden selten im Ultraschall gesehen. Fies. Einfach nur fies.
Die Tierärztin war sehr, sehr nett und erklärte uns alles ausführlich. Nele hat also mit dem Insulinom einen Tumor der Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Bei Hunden ist dieser Tumor zumeist bösartig und er bildet sehr schnell Metastasen im gesamten Bauchraum. Sowohl der “Haupttumor” als auch seine Tochtergeschwülste produzieren in Eigenregie Insulin. Das wiederum führt zu einem Abfall des Glukosewertes im Blut. Und das ist der Grund, warum unser Nelchen dauernd unterzuckert ist.
Insulin?
Insulin ist ein Hormon und zwar ein lebensnotwendiges. Es wird normalerweise in der Bauchspeicheldrüse produziert und ist dafür zuständig, über die Blutzellen Zucker aufzunehmen.
Bei einer zu hohen Insulinproduktion wird deutlich zu viel Zucker aus den Blutzellen geholt, laienhaft ausgedrückt. Somit sinkt der Zuckerspiegel im Blut. Die Folge: Unterzuckerung.
Operation?
Uns wurden in der Klinik mehrere Optionen vorgestellt. Wir könnten ein CT machen lassen, um so zu sehen, wo der “Haupttumor” genau sitzt und wo eventuelle Metastasen. Für eine Operation wäre also ein CT unerlässlich. Aber: Eine Operation bei dieser Diagnose ist nicht sehr erfolgsversprechend. Erstens streut der Tumor irre schnell und zweitens ist er samt seinen Tochtergeschwulsten winzig, winzig klein und die Gefahr, ein Geschwulst während der Op zu übersehen, ist sehr hoch. Zudem folgen nach einer Operation an der Bauchspeicheldrüse häufig entzündliche Prozesse.
Vergleicht man die Prognose operierter Hunde mit denen nicht operierter Hunde, ist ersichtlich, dass eine Operation wirklich sorgfältig überlegt werden sollte. Für unsere 13 Jahre alte Nele kommt eine solche Operation definitiv nicht infrage. Hätte sie einen abgrenzenden Tumor irgendwo gehabt, hätten wir sie jederzeit operieren lassen. Aber das ist eine Form von Krebs, wo eine Operation einfach keinen Sinn macht.
Der erste Tag nach dem Klinikaufenthalt
Wir holten sie also wieder aus der Klinik ab. Zuhause angekommen, maßen wir sofort ihren Blutzucker: Nur noch 34 – sie muss sofort fressen. Doch sie wollte nicht! Langsam machte sich Verzweiflung breit, warum will die sonst so verfressene Nele nichts fressen? Laut Klinik MUSS sie fressen, ansonsten stirbt sie uns rasend schnell unter den Händen weg. Also nahmen wir das Futter auf den Finger und schoben es ins Maul. Es brach uns beide schier das Herz, doch diese “Zwangsernährung” musste sein.
Wir wussten allerdings beide, dass es das Ende ist, wenn sie nicht bald freiwillig frisst. Einen Hund über einen langen Zeitraum gewaltsam zu ernähren, das geht gar nicht.
Wir suchten nach den Gründen, warum sie nicht fressen mochte. Bis es uns dämmerte: Laut Klinik sollten wir ihr als Schmerzmittel Morphium geben. Natürlich! Morphium dämmert alles weg, auch den Appetit! Also, wieder in der Klinik angerufen und gefragt, ob wir das Morphium weglassen können. Aber ja, die Antwort. Gesagt, getan – und am nächsten Tag schlug sie wieder ihre Zähnchen in das Futter wie eh und je. Boah, der Stein, der uns vom Herzen fiel, dürfte die Größe eines Meteoriten haben!
Nele und ihr Insulinom – Stand jetzt
Nele bekommt jetzt alle zwei Stunden Futter, auch nachts. Zudem geben wir ihr Cortison-Tabletten, Antibiotika gegen die entzündete Bauchspeicheldrüse, ein Medikament gegen Übelkeit und einen Magenschutz. Zudem trägt sie auf dem Rücken einen Sensor, mit dem wir ständig ihren Blutzucker kontrollieren können. ist der Blutzuckerspiegel zu niedrig, geben wir ihr schnell etwas Honig, gefolgt von ihrem richtigen Futter.
Wir haben jetzt einen Futterautomat gekauft, sodass wir wenigstens mal wieder eine Nacht durchschlafen können und Nele dennoch ihr Futter bekommt. Sie ist lebhaft, interessiert an allen Vorgängen und vor allem frisst sie mit gutem Appetit. Eine kleine Nebenwirkung erfordert allerdings noch weitere Maßnahmen: Sie kann ihre Geschäfte nicht mehr ganz so gut kontrollieren. Ab und an kommt es vor, dass man mit ihr rausgeht und sie verrichtet alles, was ein braver Hund eben so verrichtet. Dann geht man rein und ihr fällt ein, dass sie ja nochmal muss. Also macht sie nochmal. In den Hausflur. In einem Mehrfamilienhaus ist das etwas unschicklich, zumal Nele problemlos während des Laufens kackt und wir es bei den ersten Malen auch gar nicht mitbekommen haben. Äußerst unangenehm und mit vielen Entschuldigungen verbunden! Jetzt wird sie getragen oder bekommt eine Windel angezogen, solange sie im “öffentlichen Raum” unterwegs ist.
Gerne berichte ich euch weiter, wie es ihr geht.
Vielen lieben Dank für diesen Artikel. Mein 11 Jahre alter Labrador- Mix zeigte exakt die selben Symptome. Krampfanfälle in immer kürzeren Abständen, Antriebslosigkeit und Appetitlosigkeit folgten. Nach mehrfachem Besuch beim Tierarzt folgte die Diagnose. Unterzuckerung. Jetzt überwachen wir alle 2 Stunden den Blutzuckerspiegel, der zwischen 50 und 100 mg/dl liegt. Leckerchen um den Spiegel oben zu halten bekommt sie gefühlte alle 5 Minuten. Nun haben wir immer ein Notfallpack mit Zuckerwasser dabei um schlimmeres abzuwenden. Weitere Untersuchungen der Bauchspeicheldrüse werden folgen. Was auch immer dabei heraus kommt. Mir bricht es das Herz. Gibt es denn kein Medikament, das den Blutzuckerspiegel wenigstens auf einen normalen Level hält?
Danke für diesen Text!
Ich habe hier einen 16 Jahre alten Boxer, der vor ca. 2 Jahren mit gelegentlichen “Ticks” begann. Orientierungslosigkeit, Hecheln, Zittern. Alle Tierärzte bei denen ich vorstellig wurde, sprachen von Altersepilepsie, beginnender Demenz oder, nachdem er vor 5 Jahren eh schon einen Mastzellentumor hatte, von einem anderen Tumor im Hirnbereich. Meist war nach 5-10 Minuten Alles vorbei, in letzter Zeit kamen sie jedoch vermehrt, heftiger & länger. Verfressen war der Gute übrigens schon immer, also ist mir das Betteln gar nicht aufgefallen, sein steigender Durst schon. Da habe ich dann gedacht, dass er vielleicht unter Diabetes leidet und ihm zum Test beim nächsten Anfall einfach mal eine getrocknete Dattel gegeben und siehe da, es half. “Leider” war im Urin aber kein Zucker nachzuweisen, mit einer Diabetes hätten wir gut leben können, also ging das Forschen weiter. Im Rahmen seines jährlichen, geriatrischen Blutbilds zeigte sich dann auch die Bauchspeicheldrüse auffällig, also sind wir mit der chronischen Pankreatitis auch mit im Club. Nach diversen Gesprächen mit meiner TA erwähnte sie dann die Möglichkeit des Insulinoms, es bedarf nun weiterer Diagnostik. Ich bin noch mitten im Entscheidungsprozess wie ich weiter vorgehe. Ich weiß, dass ich ihn nicht mehr einer Narkose aussetzen werde und seine Blutgerinnung eh mau ist, trotzdem hätte ich gerne eine Diagnose. Bisher und in Zukunft bekommt er jedoch alle 4 Stunden eine Mahlzeit und Snacks zwischendurch, ich glaube er selbst findet es gar nicht SO Scheisse, denn Schmerzen hat er jetzt, ohne Anfälle , nicht mehr.
Hi,
mein Buddy (Old English Bulldog, Rüde, 8 Jahre) hat nun auch diese schreckliche Diagnose.
Bei ihm fing es im Sommer mit 2 aufeinanderfolgenden Krampfanfällen an – danach war alles normal.
Viele Wochen später hatte er während der Arbeit unbemerkt mal einen solchen Anfall – den Spuren auf dem Fußboden nach zu schließen.
Im November hatte er einen Bandscheibenvorfall und in der Folgezeit gab es erstmal starke Einschränkungen beim spielen. In der Zeit (und evtl. schon vorher) nahm er zu und er wurde träger.
Ich schob das auf die Tabletten, die die Muskulatur entspannen sollten. Diese mußte er über 5 Wochen einnehmen – soweit kam es aber nicht.
Mitte Dezember bekam er nachts einen schlimmen epileptischen Anfall, gefolgt noch weiteren und dann war er direkt in einer Art Delirium, nicht ansprechbar und hat zuerst gejammert, gewinselt, gebellt und geschrien und lag dann nur noch maschinell röchelnd herum – geistig weggetreten.
Wir fuhren nachts in die Klinik und dort mußte er 5 Tage bleiben.
Es wurde ein CT vom Kopf gemacht und auch Hirnwasser untersucht. Letztendlich wurde ihm eine Epilepsie diagnostiziert und er bekommt seitdem Phenoleptil.
Am 6. Januar – also vor einer Woche (unmittelbar vor dem Kontrolltermin) – bekam er wieder 2 Anfälle nacheinander und war dann erneut in dem weggetretenen Stadium, in dem er noch Zuckungen hatte und ganz schlimm röchelte.
Also wieder nachts in die Klinik gefahren. Dort wurde er dann wieder in Narkose gelegt, weil man ihn aus dem Stadium anders nicht befreien konnte.
Er war 6 Tage in der Klinik und in der Zeit kam es dann eben zu dieser Diagnose.
Schade daß sie beim ersten Aufenthalt nicht drauf gekommen sind. Den niedrigen Blutzuckerspiegel hätten sie doch eigentlich bemerken müssen.
Naja, 5.000 Euro sind weg.
Ich stand auch vor der Entscheidung bezüglich der OP.
Die von der Ärztin genannte Lebenserwartung nach der OP klingt mit 12-15 Monaten nicht gerade sehr hoch.
Sie hat ebenso erwähnt, daß diese Tumore recht schnell streuen.
Am nächsten Tag hab ich mich für den Weg ohne OP entschieden.
Buddy bekommt nun täglich Proglicem und Prednitab. 4 Tage lang soll er noch ein Antibiotikum nehmen und die Phenoleptil soll er auch erst mal noch weiter nehmen. Man kann die dann ganz langsam absetzen.
Heute ist der 13. Januar 2022 und ich hoffe, daß Buddy noch viele schöne Monate vor sich hat, auch wenn er jetzt erst mal noch sehr schlapp, lust- und kraftlos ist seit dem letzten Anfall.
Wie ging die Geschichte bei Nele eigentlich weiter?
Lieben Gruß
Ronny